Glückliche Kindheit in Debrecen


Éva Fahidi wurde am 22. Oktober 1925 in der ostungarischen Stadt Debrecen geboren und hatte eine glückliche Kindheit mit ihrer kleinen Schwester Gilike und vielen Verwandten. Vater Fahidi gehörte eine angesehene Holzhandelsfirma in Debrecen, die Fahidi Holzhandel AG. Die Mutter von Éva stammte aus Ógyalla, ein Ort, der heute in der Slowakei liegt und Hurbanovo heißt. Die Großeltern zogen nach Nagytanya - in der Nähe von Mezőkersztes - und betrieben ein großes Landgut mit Landwirtschaft und vielen Tieren. Der Großvater von Éva war Ungar jüdischen Glaubens. Der Vater von Éva konvertierte in den 1930er Jahren zum Katholizismus. Éva Fahidi ging seit ihrem 11. Lebensjahr auf das katholische Gymnasium in Debrecen. Nach der Schule wollte sie auf die Musikakademie gehen. Ihre Pläne platzten am 19. März 1944. 

Der 19. März 1944


Am 19. März 1944 - es war ein Sonntag - besetzten die Wehrmacht und SS-Einheiten des Deutschen Reichs Ungarn. Bereits zwei Tage nach der Besetzung des Landes klingelten deutsche Soldaten an der Haustür von Évas Elternhaus. Am Folgetag beschlagnahmten die deutschen Einheiten das Haus und ein deutscher Kommandeur aus Dresden zog mit seinem Adjutanten ein.

Am Einmarschtag kam auch Obersturmbannführer Adolf Eichmann nach Ungarn. Er leitete ein Einsatzkommando und die Aufgabe von ihm und seinen Männern war es, die ungarischen Jüdinnen und Juden möglichst schnell in das deutsche Konzentrationslager (KZ) Auschwitz-Birkenau im besetzten Polen zu transportieren. Ab dem 6. April 1944 mussten die ungarischen Juden den gelben Stern an ihrer Kleidung tragen.

Am 26. April 1944 veröffentlichte die ungarische Regierung eine Regierungsverordnung zur Ghettoisierung der jüdischen Bevölkerung im Land; zwei Tage später trat sie in Kraft. Am 9. Mai wurden in der westlichen Innenstadt von Debrecen das Kleine und das Große Ghetto errichtet und mit einem Holzzaun abgeriegelt.

Auch Familie Fahidi musste innerhalb weniger Tage in ein Haus im Ghetto umziehen. Sie bezogen mit zehn Personen ein Zimmer von etwa 40 Quadratmetern in der Hatvan utca 30 im Ghetto. Alles war fürchterlich eng und sie durften auch nur wenig Gepäck aus dem großen Haus mitbringen. Am 20. Juni räumten die SS und ungarische Gendarmerie das Ghetto und die jüdischen Kinder, Frauen und Männer wurde in die Serly Ziegelei am Stadtrand transportiert.

Vom KZ Auschwitz-Birkenau nach Stadtallendorf


Am 27. Juni 1944 fuhr der Deportationszug von Debrecen in das KZ Auschwitz-Birkenau. Als die Türen des Viehwaggon geschlossen wurden, befanden sich rund 80 Frauen, Männer und Kinder in dem Waggon. Éva beschrieb die Fahrt als entsetzlich stickig, heiß und wegen der großen Enge konnten nur wenige  Menschen sitzen. Noch schlimmer war es für die junge Frau, dass sie wenig Wasser und nur einen Eimer als Toilettenersatz erhalten hatten.


"In der Morgendämmerung des  1. Juli 1944 auf der Rampe von Auschwitz-Birkenau war meine Jugend vorbei. Alles wurde mit einer Handbewegung zunichte gemacht, mit der Handbewegung, durch die Mengele mich auf die eine, meine Eltern und meine Schwester auf die andere Seite schickte.“

_Éva Fahidi


Nach sechs Wochen in Auschwitz-Birkenau führte der Lagerarzt von Auschwitz, Josef Mengele, am 12. August 1944 eine erneute Selektion durch. Die Frauen mussten sich ausziehen und sich auf der Lagerstraße . Mengele ging durch die Reihen und wählte mit Éva Fahidi tausend Frauen und Mädchen aus. Am Folgetag, es war der 13. August 1944, wurden die Frauen erneut in Viehwaggons gesperrt und der Zug fuhr Richtung Westen. Nach einem kurzem Aufenthalt im KZ Buchenwald fuhr der Zug 180 Kilometer weiter in die hessische Kleinstadt Allendorf [heute Stadtallendorf]. Am 16. August 1944 kamen 1.000 erschöpfte, hungrige und durstige Frauen in der Stadt in der Nähe von Marburg an. Nach einigen Tagen mussten die Mädchen und Frauen Zwangsarbeit im Rüstungsbetrieb leisten.


Der Text basiert auf den Erinnerungen von Éva Fahidi aus ihrem Buch "Die Seele der Dinge" sowie auf dem Buch "Der schwärzeste Sommer - Wie der Holocaust nach Ungarn kam" von Maren Schoening.

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